Er tat es schon wieder, der Sänger des Mondes predigte in Neu-Rivin:
Dieser Tage, im Jahre des Blauen Feuers, der harte Winter schien allmählich dem Aufkommen des baldigen Frühlings zu weichen, predigte der nun mittlerweile stadtbekannte Gardist, Sturmsegler und Diener der Mondmaid wieder auf den öffentlichen Plätzen der Stadt:
Es waren Reden über ein Thema, über das er schon zuvor gepredigt hatte. Damals, am späten Abend des 29. Alturiaks und auf den Stufen einer Holztreppe an der Ecke des Nelphoriums. Dieses Mal wiederholte er die Andachten jedoch bei Tageslicht. Außerhalb seiner Dienstzeit als Gardist zog er dazu einmal vor den Tempel Selûnes und abschließend auch noch einmal auf den Marktflecken innerhalb der Stadtmauern.
Die Eröffnung seines Sermons über die Liebe – in all ihren Facetten, vor allem ihrem göttlichen Aspekt und dem ganz allgemeinen, hohen Wert – begann er mit einer Liturgie, die er bisher immer benutzt hatte, wenn er eine Predigt eröffnete und sich dabei auf seine göttliche Herrin berief:
„Im Namen Selûnes, Unserer Silbernen Dame, der das erste Licht entspringt und die einen Teil ihrer selbst gab, um Chauntea, die Schöpfung, unser Abeir-Toril, vor dem Ende, durch den kalten Schatten ihrer Schwester, zu bewahren.“
Und dann, als eine Art Vorwort, gab er folgendes von sich, bevor er mit dem eigentlichen Thema begann:
„Ich spreche heute zu euch, ihr guten Leute von Neu-Rivin, um andere zu lehren – aber auch um selbst zu lernen. Wenn ihr heute meiner Predigt lauscht, dann nicht deshalb, weil ihr durch das stumpfe Zuhören meiner Rede einen persönlichen Vorteil gegenüber einer göttlichen Macht erhaschen sollt! Nein, wir sind hier zusammen gekommen um zu hören und zu verstehen und zu begreifen! Versuchen zu verstehen und zu begreifen, welche göttliche Weisheit in unser aller Herzen ruht. Ich habe es getan, ich habe meinem Herzen gelauscht – und nun spricht es zu euch! Ich spreche zu euch mit den Worten, die meinem Verstand und meinem Herzen entspringen. Und ich hoffe, dass beide, meine Gedanken wie auch mein Puls, ihren Ursprung in der Gnade und göttlichen Weitsicht Selûnes haben. Und dass das Gehörte von jedem hier, auch von mir, während ich spreche, mit einem kritischen aber zugleich offenen Ohr und Geist vernommen wird. In der Hoffnung und Erwartung, dass es so letztlich einen Nutzen haben wird und wir durch diesen einsichtigen Nutzen das Gute in Neu-Rivin mehren können!“
Danach begann er, Beharion, mit seinem eigentlichen Sermon über die Liebe:
„Doch wovon muss eigentlich gesprochen, ja, mehr noch gelebt werden, um Gutes mehren zu können in dieser Stadt und Schaden von ihr, von uns, abzuwenden? Ich bin überzeugt davon, dass es viele löbliche, altruistische Elemente gibt, die jedem von uns als so abstrakte Begriffe wie Gerechtigkeit oder gar Liebe bekannt sind, und uns dabei in den Sinn kommen. Aber was ist das? Können wir uns eigentlich bewusst machen, wenn wir uns intensiv mit diesen Worten auseinandersetzen, wovon wir eigentlich täglich sprechen:
Liebe und Gerechtigkeit?“
Hier setzte Beharion beide Male eine bewusst platzierte Redepause, um das Gesagte erst einmal bei der Zuhörerschaft ankommen zu lassen und sie gleichzeitig zum Nachdenken anzuregen. Eine Art des Nachdenkens, die wohl über die Zeit seiner Predigt hinaus anhalten sollte:
„Und überhaupt: Manch einer wird sich jetzt fragen, warum ein Prediger Selûnes von der Gerechtigkeit oder von der Liebe redet. Ohne Zweifel, diese Frage ist berechtigt. Aber nur, wenn diese beiden Tugenden stur auf die Mächte Tyr“, Beharion zögerte kurz, er überlegte, so als ob er vielleicht etwas vergessen hatte, dann erzählte er rasch weiter und sagte den nächsten Gottesnamen auffällig betont, „und Xymor, der bei einigen auch als Bahamut geläufig ist, in Bezug auf die Gerechtigkeit, und Sune beziehungsweise Sharin, bezugnehmend für Schönheit und Liebe, reduziert werden. Ein gängiger Irrtum der vielen unterläuft. Denn von einem Irrtum, von einem Fehler in dieser Hinsicht, kann man sprechen, wenn man gewillt ist anderen löblichen Göttern diese Eigenschaften – wenn auch nicht in Hinblick einer Gleichsetzung ihrer herrschaftlich-göttlichen Domänen! – abzusprechen. Denn, fragt Euch selbst:
Ist Lathander etwa der Wert der Gerechtigkeit völlig fremd – oder seinen Paladinen, jenen noblen Streitern vom Orden der Aster aus Tiefwasser? Ist der edle Gott Torm nicht auch empfänglich für das Martyrium des persönlichen Opfers? Dieser Wert ist nicht allein Ilmater vorbehalten! Den Beweis lieferte Torm, der Loyale Zorn, als er am 13. Eleint im Jahr der Schatten, vor fast 30 Jahren, seine göttliche Existenz bereitwillig hingab und so den tyrannischen Gott, während der Zeit der Sorgen, in Tantras bezwang, ihn vorerst tötete – ein Ereignis, das nicht weniger als 27 Nationen und Reiche in Faerûn zum Anlass nahmen, um einen hohen Feiertag auszurufen; auch meine ursprüngliche Heimat, die Täler, gedenken noch immer voller Freude an den damaligen Sturz der Schwarzen Hand!
Und so frage ich Euch jetzt:
Was war das letztlich, was die hohe Mondmaid, meine göttliche Schutzpatronin, dazu veranlasste einen Teil ihrer selbst zu opfern und uns die Existenz, hier auf Abeir-Toril, heute überhaupt erst zu ermöglichen? Ohne die aufopfernde Liebe Selûnes, wären wir alle nicht! Ein Umstand, der in der heutigen Zeit, tausende von Jahren nach der Schöpfung, gänzlich fremd geworden ist für viele. Und darum! Aus diesem Grund! … Deshalb will ich heute von der Liebe sprechen, dieser einen hohen Tugend:
Der Tugend Liebe! Die in meinen Augen vieler schöner, klangvoller Attribute würdig ist, um sie zu umschreiben. Aber einer scheint mir dabei ganz besonders wichtig:
Die Göttlichkeit – die Göttlichkeit der Liebe, die ihren Ursprung möglicherweise auch in diesem einen Gnadenakt Selûnes besitzt.“
Und nach diesem ersten, sehr andächtigen Teil kehrte kurz Ruhe ein. Beharion schwieg und schloss bedächtig für einen kurzen Moment die Augen. Er senkte seinen Kopf langsam, dann hob er nur die Augenlieder an und das Silber in seinem Augapfel war förmlich von einem leuchtenden Glanz erfüllt:
„Die Liebe, sie ist ganz wunderbar und einfach – darum fürchten sich auch Seelen in diesen teils sehr komplizierten Zeiten davor. Von widrigen Umständen allgegenwärtig umzingelt, die uns den Blick auf diese so schlichte Wahrheit versperren.
Liebe? Man kennt sie vielleicht gar nicht von anderen. Hat sie nie von jenen empfangen, von denen man es sich gewünscht hätte. Einige erhielten sie nicht einmal von ihren eigenen Eltern – sofern man überhaupt welche hat oder je hatte.“ Dann hob er, bei beiden Predigten, wieder den Blick und ließ ihn über die Anwesenden schweifen:
„Einige kennen sie nicht einmal von sich selbst – der Hass, gepaart mit verletzendem Hohn und ignorantem Sarkasmus, geht bei einigen so weit, dass er, bevor er sich auf alle anderen erstreckt, den letzten Funken Licht in der eigenen Seele mit seinem kalten, beißenden Mantel der hasserfüllten Wut und kleinlicher Selbstbezogenheit erstickt. Der Ursprung dieser Form von Hass – der Anti-Tugend der Liebe –, der Selbsthass, kann unterschiedlichste Wurzeln haben:
Hass auf sich selbst, weil man nicht im Stande war, seinen Besitz, seine Ehre und Freiheit oder seine Nächsten zu schützen: Seine Freunde oder Familie und Kinder. Hass auf die eigene Person, weil man beim Schutz seiner Heimat versagte.
Hass durch Verrat und Enttäuschung: Weil andere einen verrieten oder im Stich ließen und man deswegen nur allzu gerne beginnt die Fehler und Sünden der anderen als Rechtfertigung für seine eigenen Vergehen und Fehler zu missbrauchen – für die eigene Kaltherzigkeit und Ignoranz.
So wird das erste Tor der eigenen Seele für den Hass geöffnet – und weitere werden folgen. Bis dieser Hass dann einen innerlich förmlich überrannt und ausgebrannt hat und dann, eines Tages, ausbricht aus einem“, und bei diesen Worten hatte Beharion seine Arme erhoben und die Fäuste in einer dramatischen Handbewegung zusammengeballt. Nur um sie danach wieder schlagartig zu öffnen. Vor allem am Marktplatz bediente er sich dieser Geste mehr als einmal:
„Er wird förmlich aus einem bersten, nachdem er das eigene Selbst zerfressen hat, dieser Hass, und nun beginnt alle anderen zu plagen.“ Und dann wird seine Stimme ruhiger, weicher und besonnener:
„Doch die Liebe vermag diese Tore wieder fest zu schließen. Auf ganze eigene, sanfte Art und Weise; das Erste wie auch alle anderen, die man dem Hass gegenüber geöffnet hat. Einige haben dieses Verschließen verlernt, manche davon mit Absicht. Mit Absicht, weil sie die Liebe als ein Zeichen der Schwäche sehen – und deshalb Angst davor haben, sich der Berührung und dem Wagnis der Liebe zu stellen. Angst verletzt zu werden, betrogen zu werden, wenn sie das Risiko in Kauf nehmen, die Tore dem Hass und der Angst gegenüber wieder zu versiegeln – weil sie sich dazu nämlich erst anderen gänzlich öffnen oder anvertrauen müssten.
Hat man vielleicht darum Angst vor der wahren Liebe?
Angst vor etwas, dass so ganz und gar merkwürdig erscheint; weil es so völlig anders ist in seiner Beschaffenheit, wie all das, was wir sonst aus unseren bisherigen Erfahrungen kennen? Weil es durch und durch selbstlos ist und eben nicht auf den eigenen Vorteil bedacht ist? Das ist eine Einstellung zum Leben, die vielen Sterblichen zum Teil, wenn nicht sogar vollständig, fremd geworden ist. Und das Unbekannte und Fremde, das nicht Nachvollziehbare macht vielen große Angst. Vor allem dann, wenn man es eigentlich nur ständig leugnet, leugnen will; und letztlich dann doch vielleicht eines Tages damit konfrontiert wird. Ob aus dem Innersten oder von außen her und dann, völlig überfordert, die Flucht davor ergreift:
Fliehe der Liebe. …
Man flieht davor: Der Gewalttätige, der Rachsüchtige und der Hasserfüllte – sie alle fliehen davor.“ Bei dieser Aufzählung, so sagen die Leute im Nachhinein, hob Beharion seine linke Faust und ließ bei der Nennung eines jeden – Gewalttätiger, Rachsüchtiger und Hasserfüllter – den Daumen beziehungsweise einen Finger hochschnellen. „Sie fliehen vor dem, was im Grunde seines Wesens nur gibt und nicht fordert. Sie fliehen vor dem, was man nicht wirklich erzwingen und in Wahrheit auch nicht kaufen kann – denn wahre Liebe feilscht nicht, sie stellt keine Bedingungen und ist voll und ganz unmittelbar. Diese Liebe, die sich nicht auf die Befriedigung körperlicher Bedürfnisse oder Begierden, so sinnlich sie auch sein mögen, reduzieren lässt. Diese Form der Liebe kann man nicht einfach besitzen, wie einen Gegenstand, wie ein Ding, über das man beliebig verfügen möchte – man kann sie nur fortwährend empfangen, gleich einer Gabe, einem Geschenk und auch nur so weitergeben. Fortwährend empfangen und ständig geben.
Ist Liebe beschränkt? Lässt sie sich einsperren? Nein!“ Beharion schüttelt dabei einmal weit ausholend und langsam mit dem Kopf:
„Wie kann man etwas einsperren, das zugleich im Stande scheint, aufgrund der Natur seiner Sache, fast allgegenwärtig zu sein? … Wenn man es denn nur lässt. Ja, schier allgegenwärtig, denn das Maß davon man schöpfen kann ist unermesslich. Denn, in ihrem göttlichen Grunde, ist sie wahrhaft unendlich – und fußt doch sogleich so tief in uns Sterblichen. Und wenn wir diesen göttlichen Grund bereit sind zu erforschen, dann werden wir lernen zu begreifen, dass die Liebe alles möglich macht. Alles überwindet. Alles überwältigt:
Es bedarf keines Hasses um sich vor dem Bösen zu schützen, sich und seine Familie, seine Nächsten.
Löblicher Glaube, die Hoffnung, der Wille zur Gerechtigkeit, das Einstehen für Toleranz und vor allem wahre Liebe sind ebenso im Stande eine Klinge entschlossen zu führen, ein Heer anzuleiten oder uns zu anderen, höchsten Leistungen anzuspornen; wie zum Beispiel der Schöpfung von wunderbarer Musik und fabelhafter Kunst.“
Und erneut ließ Beharion eine künstlerische Pause walten, damit das Gesagte von den Teilnehmern seiner Andachten erst ein Stück weit verarbeitet werden konnte. Danach fuhr er fort:
„Liebe: Ein Rohstoff, der nach den Maßstäben einer vom Handel geprägten Gesellschaft, wie sie die Stadtstaaten und fürstlichen Ländereien an der Schwertküste nun einmal sind, und in Anlehnung der Leitsätze von Waukeens höchstem Klerus – nachdem Angebot und Nachfrage den Preis regulieren –, keinen hohen Wert besitzen dürfte:
Man könnte sie ja theoretisch überall anzapfen, die Liebe. Theoretisch. Aber selbst wenn Liebe wahrhaft allgegenwärtig wäre, so bliebe sie dennoch unermesslich wertvoll und damit Waukeens handelsorientierter Grundsatz ausgehebelt. Und vergesst die Liebe zum Geld, sie ist letztlich hohl und falsch – die Liebe zueinander, das ist es was zählt! Das Geld? Das soll uns und guter Dinge dienen - und icht anders herum.“
Nach dieser Passage soll Beharion die rechte Hand erhoben haben. Er streckte sie ein Stück zum sonnenbeschienen Mittagshimmel empor und verkündete voller Überzeugung:
„Wenn man sich für wahre Liebe öffnet, dann wird diese einen nur zum Guten verändern! Sie empfängt einen in einer unsichtbaren Sphäre, gleich dem Durchlaufen einer celestischen Apotheose. Sie weckt in uns löbliche Eigenschaften der Psyche, lässt Talente erwachen und spendet uns Mut und Entschlossenheit.“
Und dann lachte er herzlich und fuhr mit einem lachenden Auge fort: „Der Vergleich mit einer berauschenden Droge mag in einem bescheidenen Maß nicht abwegig sein, doch kann man all die einhergehenden Umstände von Sucht und belastenden Nebenwirkungen bei wahrer, aufrichtiger Liebe getrost verbannt wissen.“
Dann, während des jeweiligen Sermons – ob nun Tempel- oder Marktplatz –, nahm seine Stimme einen mahnenden, sehr pastoralen Unterton an:
„Und auch wenn Liebe – eben jene Liebe, die im alten Thorass als agape widergegeben wird und als ein wichtiger Bestandteil neben phileo oder eros besteht, aber nicht auf diese sinnlichen Leidenschaften allein reduziert werden darf – diese wundervollen Züge in uns zu wecken vermag, sie uns verleihen mag, so bleibt es dabei: Sie werden nur verliehen.“
Bei diesem letzten Satz betonte er jedes Wort bewusst langsam und gedehnt: „Denn jeder von uns, jede Seele, muss für sich selbst entscheiden, wie er diese verliehene Gabe verwendet. Ob er sie überhaupt verwendet.
Es verhält sich ein wenig, wie mit dem Rauchpulver der erfindungsreichen Gnome von Lantan. Es lag ursprünglich nie im Sinne seiner Erfinder, damit vor allem Schaden zu verursachen oder ein grausames Kriegsmittel zu erschaffen. Doch ist auch dies, Sune und meiner Herrin Selûne sei es geklagt, leider mit der Liebe möglich:
Viel Leid und Kummer zu verursachen.
Ja, das ist leider möglich. Dass wir Sterbliche diese wunderbare Gabe dazu verwenden und sie zu einem Mittel instrumentalisieren mit dem man bewusst oder unbewusst Schaden anrichten kann. Und so nehme ich euch heute in die Verantwortung, ihr guten Leute von Neu-Rivin:
Es liegt an uns, was wir aus dieser hohen Tugend, der Liebe, machen!
Geht hinaus in diesen Tag und bewahrt eure Herzen und Sinne in der Liebe Selûnes und aller löblichen Mächte!“
Und mit der Beendigung seiner jeweiligen Predigt über die holde Liebe, holte Beharion seine Harfe hervor und ließ eine aufbauende und zugleich eindringliche, heftige und laute Psalmodie erklingen:
„Stolz wird es stehen, / Glorreich nie vergehen! / Gleich einem reinen Held /
Und bis ans Ende der Welt: / Selbst wenn Dendar sich erhebt, / Ganz Toril vergeht – /
Auch dann weht es hoch, / Frei von jedwedem Joch: / Das Banner der Liebe, /
Es wird ewiglich obsiegen!“
Und dann geschah etwas, womit wohl noch immer viel zu Wenige gerechnet hatten: „Selûne will Neu-Rivin ein Segen sein, also will ich auch diesen Menschen ein Segen sein.“
Beharion zog sich nämlich nach seinen beiden Andachten nicht zurück, sondern er mischte sich unter die Zuhörerschaft; dieses bunte Volk von Kindern, fleißigen Knechten und hartarbeitenden Mägden und Müttern – diese Seelen, die das neue Leben in die Welt setzten, die Kinder großzogen und nebenher noch einen ganzen Haushalt versorgten, wenn sie nicht noch zusätzlich einer gewerblichen Arbeit nachgingen.
Er lieh ihnen sein Ohr, wenn sie es wünschten und einen kurzen Augenblick ihrer Zeit dafür entbehren wollten. Er hörte sich ihre Probleme an, versuchte Rat und Trost zu spenden und segnete sie im Namen seiner Göttin, der Mondmaid.
Und wenn Beharion wohl augenscheinlich den Eindruck gewann, dass einer dieser sorgenbeladenen Menschen wirklich hart unter dem ausklingenden Winter gelitten hatte, dann zögerte er nicht seinen Geldbeutel zu öffnen und ihnen einen materiellen Segen, eine milde Gabe, zukommen zu lassen.
Unter diesen Leuten hatte es auch einen älteren Mann gegeben, der ihn um seelsorgerischen Zuspruch und einen Segen Selûnes gebeten hatte – er war wohl früher Seefahrer gewesen. Ihm hing seine Kleidung, die eigentlich nur noch aus Flicken bestanden hatte, schon förmlich in Fetzen runter.
Der Prediger Selûnes und Navigator der Sturmsegler konnte diesen Anblick nicht ertragen und nötigte den Großvater behutsam und geduldig mit ihm zur Schneiderin Sarina Garnishham zu kommen. Dort ließ ihn der Mann mit den schwarzen Haaren und den silbernen Augen, so munkelt man zumindest, für über 100 silberne Tarane, neu ausstaffieren. Zumindest bezahlte er angeblich genug, damit der Greis nun wieder einen vollen Satz unterschiedlichster Kleidung für jede Jahreszeit haben sollte.
Nach diesen öffentlichen Andachten und dem karitativen Wirken Beharions, was schon den ganzen Winter über anhielt, waren sich etliche Bürger in Neu-Rivin einig:
„Einen solchen Prediger hatte es in unserer Stadt bisher noch nicht gegeben, Selûne sei gepriesen und gelobt sei ihr Tempel!“
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