Es spricht sich schnell herum. Die Reepschläger erzählen es sich bei der Arbeit, die Fischer, wenn sie früh morgens durch die Wellen hinaus aufs offene Meer gebrochen sind, die leichten Mädchen schnattern wild, und selbst der verkrüppelte alte Dachdecker hat es von seinem Fenster aus gesehen und weiß zu berichten. Manche waren sogar hautnah dabei und prahlen zum Beweis mit ihren blutigen Schrammen.
Das erste Anzeichen der schrecklichen Szenen, die sich am gestrigen Abend in der Lagune abgespielt haben, waren die flüchtenden Gäste. Viele sehen noch die Bilder vor Augen als wäre es gerade erst passiert: Hals über Kopf kommen sie durch die zerschlagene Tür nach draußen gestürmt. Im schwachen Schein des Lampions kann man sehen, welch großer Schreck und welche Angst ihnen in den Gesichtern geschrieben steht. Drunter und drüber geht es. Jeder versucht als erster der Taverne zu entkommen: Die Musiker noch mit Fidel und Tambourin in den Händen, die Koketten auf ihren hohen Absätzen, und selbst ein betagter Paradiesvogel flattert unter Einsatz seines Lebens hinaus in den Nachthimmel.
„Ein Verrückter!“
„Ein Irrer!“
„Er hat ihm einfach den Schädel gespalten!“
„Er dreht durch!“
„Aus dem Weg!“
„Ich hab das Gerhirn gesehen! Das Gehiiiirn!“
„Lasst mich durch!“
"Gehirn!"In den sonst so verführerisch glitzernden Butzenscheiben der Lagune zeichnen sich die wild kämpfenden und dreinschlagenden Schatten ab. Der Lärm dringt nach draußen: lautes Kampfgetümmel, ein zersplitternder Hocker, das dumpfe Geräusch von Fäusten, ein markerschütternder Schrei. Der Strom an Flüchtlingen ebbt schließlich ab. Vereinzelt kommen immer noch Verwundete heraus, benommen, verletzt, blutend. Vor der Lagune herrscht das Chaos: Verwundete, Schaulustige. Alle sind sie wild durchmischt. Drinnen wird es dafür ein wenig ruhiger – ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?
Da rückt auch schon die Ordnung heran. Erstaunlich schnell marschiert der Gardisten-Trupp auf dem dunklen Vorplatz auf. Die Einsatztruppe scheint in nächster Nähe gewesen zu sein. Von der Miliz weit und breit keine Spur. Zurufe aus den Schaulustigen, manche höhnisch, manche lobend.
„Er ist da drinnen! Tut doch was!“Überall fuchtelnde Hände, die dem Trupp den Weg weisen. In manchen Gardistengesichtern steht Zuversicht, anderen scheint eher mulmig zumute zu sein. Bis auf die Zähne bewaffnet, in ihren Rüstungen scheppernd, marschieren sie weiter. So verschwindet der Trupp Schwergepanzerter, geführt von der Viertel-bekannten Wachtmeisterin Khalid, hinunter in das dunkle Loch, aus dem immer noch der Kampfeslärm dringt. Ein paar Gardisten scheuchen das schaulustige Hafenvolk von Eingang weg. Was für eine chaotische Szene, die sich da in den dunklen Straßenzügen des Hafens abspielt! Kaum sind die Gardisten eingedrungen, brandet der Lärm von neuem auf. Fast zeitgleich trifft auch eine Delegation der Mantelmagier ein. Es scheint sich zu einem Staatsakt zu entwickeln. Man könnte meinen, ein Krieg sei in der Lagune ausgebrochen! Und einige werden nachher meinen, sie hätten unter den Mantelmagiern die höchsten Tiere gesehen: Winterkalt und Wolkenmeer. Aber in dem Dunkel und dem Chaos war sich niemand sicher.
Aber auch als die Magier immer zahlreicher in die Souterrain-Schenke dringen, flaut der Kampf nicht ab. Flammen blitzen grell in den Fenstern auf, Licht explodiert in tausend Farben, fast wie bei einem Feuerwerk, ein Knistern. Es dauert lange… eigentlich zu lange. Sogar das Gerücht macht die Runde, dass mittlerweile die Magier gegen die Gardisten kämpfen.
Ewig lange Momente starrt das beunruhigte Publikum auf die Fenster. Dann endlich wird es drinnen ruhiger. Nach einigen fürchterlich stillen Herzschlägen kommen die ersten Beweise für das schreckliche Massaker ans spärliche Licht der Hafengosse. Schrecklich entstellte Gardisten werden auf Bahren den Abstieg hinauf getragen. Einige haben es hinter sich. Man wird sich Schauergeschichten von zweigeteilten Menschen erzählen. Auf der nächsten Trage: ein übel zugerichteter Mantelmagier, kaum noch ein Gesicht unter all dem Blut zu erkennen, die Haare durchtränkt und zerzaust. Die Gardisten, die neben ihren toten Kameraden aus der Taverne kommen, sind kreidebleich. Die Hafenschicht wird für sie wohl nie mehr so sein wie vorher.
So hat es seinen Auftritt angekündigt, das Monster: mit zahlreichen Toten und Verwundeten, mit seiner Ausbeute dieses Abends. Als der Zwergenleichnahm schließlich die Stufen hinauf getragen wird, starren ihn unzählige Augen an. Manche glauben nicht an das, was sie gehört haben. Er alleine soll da drinnen gewütet haben? Verwirrung macht sich breit. Alles scheint zu warten, ob weitere Verdächtige aus der Lagune getragen werden. Noch am Tag danach rätselt man, was mit den Mitstreitern des Zwergs passiert ist. Andere erzählen indes die Schauergeschichte des Schlächter-Zwerges. Nicht lange, und zahlreiche weitere makabere Details und dunkle Mythen werden sich um diesen Abend, und insbesondere diesen Zwerg ranken. Xorgrim der Schlächter! So wird er weiterhin in den Köpfen der Menschen sein Unwesen treiben.
Was bleibt zurück? Tote, Verwundete, Blut und eine verwüstete Schenke. Die Gerüchte, wonach auch der Wirt der fürchterlichen Axt zum Opfer gefallen sein sollte, zerstreuen sich in den nächsten Tagen. Den halborkischen Türsteher, Graknaaz, soll es aber erwischt haben. Viele der Hafennymphen, die Tag ein Tag aus im Schutze seines vertrauten Schattens ihrem Geschäft nachgegangen waren, hatten ihn in ihr ohnehin so weiches Herz geschlossen und weinten ihm bittere Tränen nach. Vielleicht waren sie echt, vielleicht waren es aber auch nur affektierte Gefühlsausbrüche, um beim nächst besten Geldbeutel Mitleid auszulösen.
Die Lagune: ein Trümmerhaufen. Blutige Handabdrücke beim Abstieg, die Tür zerborsten, die Holzdielen mit großen dunkelroten Flecken übersät, Bänke und Hocker liegen wild durcheinander gewürfelt, die Decke an manchen Stellen schwärzer verrußt als sonst, Armbrustbolzen haben sich hier und da ins Gebälk gebohrt. So muss die Lagune vorerst geschlossen bleiben. Der Eingang wird nur von einigen Holzbrettern versperrt, die wohl weder Wind, Schnee und Regen noch Plünderer und Diebe auf Distanz halten könnten – wären da nicht noch der Wirt und die robuste Schankmaid. Von Graknaaz und Finn fehlte indes jede Spur…
Und die vielen leichten Damen, die sonst die Lagune frequentierten, die werfen ihre Netze in den nächsten Tagen offen auf den Straßen aus, zum Teil sogar offen vor dem Belarians. Es wird wohl nicht lange dauern, bis es zu den ersten Raufhändeln zwischen den Damen kommen wird. Wie lange noch, bis ihre Schutzherren härtere Maßnahmen gegen einander ergreifen? Es scheint so, als wollten die heimatlos gewordenen Mädchen und ihre Schutzpatrone sich nichts entgehen lassen und in der Zwischenzeit in fremden Revieren fischen gehen…kein gutes Omen für den Frieden des Viertels.
PS: Die Lagune bleibt also vorerst geschlossen. Der Lampion leuchtet nicht, kein Licht im Inneren. Eine Eingangstür existiert momentan (bis morgen noch) nicht - stattdessen wurden einige Bretter angenagelt, sodass man sich hindurchbücken muss und zumindest das schlimmste Wetter fern gehalten wird... Wer auf irgendwelche dummen Gedanken kommt: mich informieren! In der Regel ist der Eingang nicht unbewacht
_________________
Charaktere:
Flammo (inaktiv) - galanter, geschleckter Lackaffe, Cavalier und Stadtratskandidat
Lothlann (inaktiv) - anerkennungssüchtiger, sembischer Wirt und barocker Antiheld
Hier geht's zur Feuerlagune!