Nur dieses Holzbrett hielt sie mittlerweile noch über Wasser und nurnoch die Ströhmung trieb sie vorran. Nach Stunden war ihr Körper müde geworden. Das anfängliche Adrenalin, das durch den Schmerz den das Salzwasser in ihren Wunden hervorbrachte hatte seine kraftentfaltende Wirkung bereits längst verloren. Der Schmerz war jedoch auch bereits längst mit allen anderen Sinneseindrücken zu einem Klumpen der sich Existenz nannte verkocht worden. Mit schlichtem Automatismus hielten ihre Arme das Brett umklammert, oder es war weil die Arme bereits vollends unfähig zur Bewegung waren und die Anstrengung sie in eine andere Position zu bewegen von ihrem Körper ohnehin nicht mehr getragen hätte werden können. Nur ihre Gedanken arbeiteten noch.
Es hatte keine Rettungsboote mehr gegeben, in sie alle waren Löcher gebohrt worden. Von denjenigen, die verschont worden waren. Verschont, weil man Gnade als etwas Wichtiges und Gutes erachtete.
Verschonen. Gnade. Barmherzigkeit. Schwache Menschengefühle. Dreckig. Schwach. Erbärmlich.
Die rote Stimme prügelte wieder auf ihren Geist ein.
Erbärmlich genau wie du es jetzt bist. Erbärmlich weil du Befehlen gehorchst, die von jämmerlichen Menschen stammten.
Sie rief sich die Lektionen zurück in den Geist, die sie vor Zeiten lernte, die länger als eines dieser jämmerlichen Menschenleben zurücklagen. Lektionen, die eine andere Drow gelernt hatte, eine Drow die nun tot war. Die nie existiert hatte. Oder doch?
"Warum töten wir unsere Gegner, Senshey?" "Weil sie uns in ihrem Tod nicht mehr erreichen können. Weil sie verschwunden sind und nie wiederkehren. Weil sie für immer vergessen werden. Weil jede andere Form der Niederlage ihnen die Möglichkeit auf Vergeltung erlaubt." "Wen tötest du?" "Meinen Feind." Der gepanzerte Handschuh ihres Lehrers schlug in ihr Gesicht ein. Ein Knacken und der Schmerz kündeten von dem Kieferbruch, der sie die nächsten Wochen plagen würde - wenn man ihr das gestattet. "Du tötest deinen Feind. Du tötest alle die diese Tat gesehen haben. Du tötest alle die deinen Feind kannten. Dann erst ist er vergessen. Dann erst existiert Nichts mehr, das an dir Rache nehmen könnte. Dann erst hast du wahrlich gesiegt."
Menschen denken nicht so. Menschen sind dumm und verachtungswürdig. Menschen wägen Leben ab und erachten sie als wertvoll. Sie wägen ab ob es angemessen ist ein Leben zu nehmen oder nicht und wenn sie es tun müssen sie sich vor der Rache fürchten, weil sie es nicht richtig erledigt haben. Weil sie jemanden zurückbelassen haben, der fähig ist Rache zu nehmen. Jeder kann seine Rache nehmen. Selbst ein Kind kann lernen ein Schwert zu ergreifen, heranwachsen und seine Rache nehmen.
Niemand darf zurückbleiben um Rache zu nehmen. Niemandem darfst du den Rücken kehren solange er noch lebt. Hinter jedem Lächeln steht ein Dolch, hinter jedem Kniefall ein Schwert, hinter jedem niedergezwungenem Gegner eine geladene Armbrust die du übersehen hast. Nur einem Toten ist verwehrt sie zu ergreifen und in deinen Rücken zu stoßen.
Traue niemandem der das Blut einer Illithyri in sich trägt. Traue niemandem und lerne dir selbst zu misstrauen.
Gewohnheit war ihr schlimmstes Laster gewesen. Die Zeit an der Oberfläche, fern ihrer Gesellschaft, hatte sie ausgezehrt. Sie begann zu vergessen woher sie kam und wer sie war. Sie nahm die Gesellschaft dieser Menschen und auch der Bastardblütigen als Gewonheit hin. Es war normal von ihnen Befehle zu empfangen. Es war normal nach ihren Spielregeln zu spielen. Es war normal sich selbst der Schwäche preiszugeben weil sie einfach nicht verstanden. Weil sie nicht taten was notwendig war sondern ein Gewissen besaßen, das ihnen Einhalt gebot. Weil sie von etwas gebremt wurden, das eigentlich nicht existierte. Etwas das eine Illusion war an der man sich festhalten konnte um sich von etwas abzugrenzen, das man fürchtete. Weil man sich fürchtete sich völlig zu verlieren. Diese Furcht hatten sie, weil sie zu schwach waren.
Doch nun war sie es, die zu schwach gewesen war. Sie war es, die Sabraes Angriff nicht gesehen hatte. Sie hatte sich daran gewöhnt, dass Aufträge ohne Verrat abliefen. Sie hatte sich daran gewöhnt, dass ihre Mitstreiter mit ihrem Ableben nicht aufhörten zu existieren.
Was nützt es dir, wenn du tot bist, dass der Waffenmeister sie zurecht weisen wird?
Wer auf seinen Rücken achtet, den trifft der Tod von vorn.
Als sie auf den Feind aufmerksam machte, wirbelte Sabrae herum. Im Kampf konnte sie der Schülerin des Waffenmeisters nichts entgegensetzen. Das Schwert schoß durch ihre Verteidigung hindurch und traf Faeanshalees überrumpelten Leib. Dann positionierte sie sich neu um ihr und Liliah die Möglichkeit zu nehmen mit ihren Waffen auszuholen. Faeanshalee hatte einen Trank genommen um unsichtbar zu werden. Ja, sie wollte lieber, dass Liliah von Sabrae als Ziel wahrgenommen wurde. Liliah wollte mit ihr zu diesem Gitter laufen hinter dem der Feind gehört worden war. Doch Faeanshalee wollte nicht mehr. Faeanshalee wollte nicht irgendetwas versuchen bei dessen Versagen der sichere Tod wartete.
Faeanshalee hatte bereits zuvor mehrmals gemahnt, das Schiff besser zu verlassen, weil sie einem Feind gegenüberstanden den sie nicht besiegen konnten. Nicht einmal Sabrae konnte diese Schattenwesen verletzen, wie also sollte sie es können? Doch von Größenwahn erschlagen, wollte man wissen was sich hier verbarg. Die Menschen sagen, dass neugierige Katzen sterben. Zumindest in diesem Punkt hatten sie recht.
Faeanshalee rannte davon. Nein sie rannte nicht nur vor dem Tod davon, sie rannte auf eine Weiterführung ihres Lebens zu. Mit der massiven Axt, die beständig den Schmerz durch ihre Arme pulsieren ließ, hackte sie auf die Luke ein die nach oben führen sollte. Denn die Luke war verschlossen worden. Von genau den Menschen, die Faenshalee nicht töten sollte. Weil die Menschen Gnade so erhaben fanden. Gnade ist jämmerlich und nutzlos.
Dann hatte Faeanshalee an die Worte ihres Lehrers gedacht. Zu fliehen alleine würde nicht genügen.
Sie rammte die massive Axt in den Schiffsrumpf. Bereits nach dem dritten Schlag trat das Wasser unaufhaltsam in den Schiffsrumpf ein und es war Zeit nach oben zu flüchten. Sabrae und Liliah kämpften vermutlich noch. Sie hatten ihre Chance zur Besinnung zu kommen nicht genutzt. Welch mächtige Schattenmagie auch immer sich hier verbarg, sollte sie doch die Sahuagin tief unten im Ozean angreifen.
Dann rannte sie ans Oberdeck.
Es hatte keine Rettungsboote mehr gegeben, in sie alle waren Löcher gebohrt worden. Von denjenigen, die verschont worden waren. Verschont, weil man Gnade als etwas Wichtiges und Gutes erachtete.
Faeanshalee spürte wie sie auf etwas Festes stieß. Blinzelnd öffnete sie die Augen und sah, dass sie von Sand umgeben war. Für einen Augenblick keimte Freude in ihr auf ehe ihr Körper sich ihr verweigerte. Es war eines der seltenen Male in ihrem Leben, da sie nicht mehr die Kraft besaß in die Meditation hinabzusinken.
Die Illithyri schlief ein.
_________________ You know why I never loose at chess? I have a secret move - I knock over the board! - The Doctor Portraits für Fira, Faeanshalee, Talyth und Sonata
|