Aufsteigen… Fallen lassen… Wieder aufsteigen… Wieder fallen lassen… Seit geraumer Zeit ging das nun schon so. Mit raschen Schwingenschlägen brachte sie sich in große Höhe, um dann, die Flügel wie ihr Cape um ihren Körper gelegt, wie ein Stein herabzufallen und sich erst im letzten Moment abzufangen, um den Aufschlag zu verhindern… Nur das Licht Selunes beschien diese gespenstische Szene, wie die grässliche Kreatur sich wieder und wieder in die Lüfte erhob, um dann herabzufallen. Nicht immer funktioniert das wohl, wie es soll. Einmal gleitet sie hoch über den Baumwipfeln davon, ein anderes Mal landet sie unsanft im Unterholz, was jedoch den Sturz deutlich mindert. Immer wieder legt sie Pausen ein, während derer sich das Wesen wandelt. Flog zuvor noch ein großes, mit lederartigen Schwingen versehenes Monster mit spitzen Zähnen und noch schärferen Krallen umher, wankte nun plötzlich ein bleiches, nacktes Menschenweib auf der Waldlichtung herum, dem die Erschöpfung deutlich anzusehen war. Wieder und wieder scheint das Gleiche zu geschehen. Das Weib wandelt sich zu dem geflügelten Untier, steigt immer wieder auf und lässt sich fallen, bis es sich nach einiger Zeit in die menschliche Form transformiert, um zu rasten und sich von den Anstrengungen zu erholen. Zum Glück ist es Nacht und so mag womöglich nur der einsame Wanderer etwas von dem seltsamen Treiben im Wald bemerken, wenn überhaupt. Jenem würde jedoch, so er länger zusähe, auffallen, dass die Kreatur irgendwie…besser… in ihrem Tun zu werden scheint. Die Wandlung vollzieht sich nunmehr in einem kleinen Augenblick und auch die Präzision des Wesens beim Fliegen scheint deutlich zuzunehmen. Letztlich landet es nicht mehr unkontrolliert im Unterholz, sondern scheint genau das zu treffen, was es offenkundig treffen will. Auch die Kreatur selbst scheint die Fortschritte zu bemerken und wirkt irgendwie… gut gelaunt? Natürlich ist es schwierig, beim Anblick vieler spitzer Zähne und roter Augen, aus denen der blanke Blutdurst spricht, auf die Gemütslage des Wesens zu schließen. Doch angesichts dessen, dass es zuerst geradezu verbissen nur den freien Fall und das Abfangen desselben zu üben scheint, nunmehr jedoch immer öfter durch die Luft tollt und dabei die eine oder andere Kapriole vollführt, könnte man vielleicht auf solchen Gedanken kommen. Was das Ganze soll und warum es das gerade hier und zu dieser Zeit tut, dazu müsste man sich wohl ein Herz fassen und es fragen. Die Kreatur ist zwar lange nicht so gewaltig wie der Bronzedrachen, den mancher behauptet am Himmel gesehen zu haben und auch nicht so groß, wie die Wyvern, von denen die Überlebenden Löwenbachs berichteten, scheint jedoch diesen Mangel an Geschwindigkeit und heimtückischer Bosheit wettzumachen. So zieren bei Tageslicht viele tiefe Kratzspuren, die schon an Schnitte erinnern, die Bäume, die das Pech haben, die kleine Lichtung zu begrenzen. Viel abgetrenntes Astholz liegt herum. Einiges brutal zersplittert, anderes sauber abgeschnitten. Womöglich steht das Monstrum ja in den Diensten der Holzfäller und erleichtert deren Arbeit? Doch mit was sie dieses Untier dann wohl entlohnen mögen…?
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