Desmond hat geschrieben:
Und hier ist der zweite Punkt wo ich dir widersprechen muss. Ein gutes Konzept kann Helfen wiederkehrende Probleme zu vermeiden. Es Hilft die vorhandenen Ressourcen zu Bündeln und Zielgerichtet einzusetzen. Nicht ohne Grund werden Konzepte wie Vision Statement, Mission Statement und diverse Planungstools in der Wirtschaft genutzt. Sie helfen einem bei der Arbeit, es kommt Ordnung und Struktur in die ganze Sache. Und wenn man die Tools richtig nutzt dann kann man auch das Wegfallen eines SL im späteren Spielbetrieb leichter Verkraften.
Ein gut Ausgearbeitetes Konzept kann durch aus viele der Probleme Lösen die wir bisher haben. Aber ein solches Konzept zu erstellen ist nicht trivial. Deshalb ist eine breite Diskussion notwendig was eigentlich gewollt wird (Vision Statement), wie es grob umgesetzt wird (Mission Statement) und dann kommt erst die Detailplanung die immer wieder an beiden Statements gemessen wird.
Ich bin in der Wirtschaft tätig und habe schon bei mehreren Großprojekten unserer Bank mitgewirkt, mir musst du das tatsächlich nicht erklären. Nur hier wieder: Theorie vs. Praxis.
Der entscheidende Knackpunkt ist: In der Wirtschaft KANN ich planen. Aus diesem Grund macht es auch Sinn, zu planen. In der Wirtschaft habe ich ein festes und sicheres Budget und feste, klare Ressourcen. In der Wirtschaft kann ich Zielvereinbarungen mit meinen Mitarbeitern machen. Und ich weiß, die Mitarbeiter werden für gewöhnlich alles tun, was in ihrer Macht steht, diese Ziele zu erreichen. Ich kann externe Firmen hinzuziehen und ihnen Aufträge erteilen, mit ihnen die Erfolgskriterien vereinbaren, welche festgehalten werden als Erkennungsmerkmal dafür, was umgesetzt werden muss, damit der Auftrag als erfüllt gilt. Ich kann mir Einschätzungen von Unternehmensberatungsfirmen zu den Themen erstellen lassen, in denen ich keine Kompetenz besitze und in den meisten Fällen sind diese Einschätzungen sehr richtig.
Auf einem Projekt wie Rivin (oder jeder anderen privat betriebenen PW egal auf welcher Plattform) sind all diese Voraussetzungen nicht gegeben. Jeder bringt seine Leistung auf freiwilliger Basis in seiner Freizeit ein. Wenn jemand die für unsere Planung notwendige Leistung aus irgendwelchen Gründen nicht einbringt, was soll ich tun? Vielleicht hat er gerade Stress im RL? Oder gerade einfach keinen Bock nach seiner Arbeit noch stundenlang für Rivin zu ackern? Wenn jemand sich nicht an vereinbarte Regeln hält, was soll ich tun?
Ich habe keine Weisungsbefugnis, ich kann nur darum bitten, dass jeder sich an das hält, was vereinbart wurde. Irgendwann höre ich auf zu bitten, weil ich weiß, es bringt nichts. Per staffinterner Mehrheitsabstimmung rauswerfen? Kann ich machen, wird aber meistens vermieden, da es immer für böses Blut sorgt und die Stimmung senkt. In der Wirtschaft besteht eine Abhängigkeit, jeder muss sein Geld verdienen, diese besteht auf so einem Projekt nicht. Der Techniker zerstreitet sich mit zwei Modulbauern? In der Wirtschaft kann ich sagen: Gut, ihr bekommt jetzt zwei getrennte Büros, reißt euch zusammen. Auf Rivin verliere ich entweder den Techniker oder die Modulbauer. Zwei Spielleiter haben gerade irgendein anderes Spiel entdeckt und sind plötzlich monatelang inaktiv? Was will ich tun? Ich kann nichts dagegen tun.
Natürlich 'kann' es vereinzelt ähnliche Probleme auch in der Wirtschaft geben. Aber nicht in dieser Häufung und nicht mit dieser Wahrscheinlichkeit und nicht mit dieser Geschwindigkeit. Und wenn jemand geht, der absolut essentiell für die Erreichung des Projektziels gewesen wäre, muss ich das meinen Vorgesetzen schildern, erhalte ein höheres Budget und kann jemanden mit der gleichen Fachkompetenz hinzuziehen, der sich zwar ein paar Monate lang einarbeiten muss, aber dann einen Ersatz darstellt. Haben wir hier alles nicht, daher ist es schwierig, konkret zu planen.
Der Einbau von Neu-Rivin ist ein gutes Beispiel dafür.
Es gab für die Zeit nach dem Sternenfall ursprünglich eine gute Planung, die eigentlich alles berücksichtigt hatte. Und die in der Theorie auch funktioniert hätte - nur dann holte die Realität die Vision ein. Nun haben über Jahre hinweg mehrere Modulbauer sich an Neu-Rivin versucht und es nicht vollendet, womit der nächste Modulbauer ran durfte und wieder der nächste. Unsere beiden wichtigsten Techniker, KingTimm und Jhiashou sind weggefallen und es war uns bis heute nicht möglich, einen Ersatz zu finden (wobei das übrigens auch in den Hoch-Zeiten von NWN1 und NWN2 extrem schwierig war, wirklich gute Techniker zu finden, auch als die Spiele noch neu und die Community riesig war), dann sind noch ein paar unserer aktivsten SL abgesprungen und die ganze Planung für nach den Sternenfall war nicht mehr umsetzbar.
Noch ein Punkt, der dazu kommt: Während der langen Geschichte Rivins kam es nicht selten vor, dass mal eben ein Drittel oder die Hälfte des Staffs aus verschiedenen Gründen weggefallen ist. So, sofern es dir dann gelingt, nach zu besetzen, hast du auf einmal einen ganz neuen Staff mit ganz neuen Vorstellungen. In der Wirtschaft kann ich ganz einfach sagen: Schaut her Leute, ihr seid hier neu, das sind unsere Ziele, das wollen wir erreichen und meistens machen alle mit. In Rivin kommt dann bei einer neuen Staffzusammenstellung erstmal: Moment, das hat der damalige Staff vereinbart, wir finden das aber mehrheitlich überhaupt nicht so toll, wir fänden etwas anderes viel lustiger und überhaupt haben mir alle Konzepte von dem und dem noch nie gefallen, da gehört eigentlich ganz anderes.
Und jener Punkt ist letztendlich der Hauptgrund dafür, warum Rivin rückblickend betrachtet häufig so chaotisch wirken mag. Warum die Geschichte Rivins, die Ansichten der Bevölkerung, die Darstellung der Schwertküste an sich, die Darstellungen von Religionen und Göttern immer wieder einmal so seltsame Sprünge gemacht hat. Weil du letztendlich mit jeder neuen Staff-Zusammensetzung Rivin neu erfinden musst, damit alle auch daran mitwirken und jeder seinen Platz darin findet. Daher wirkt es auch über die Jahre betrachtet konzeptlos - weil das Konzept sich ständig wandeln muss.