"So viele Kranke!", entfährt ihr, als wieder ein Mütterchen sich von ihr ein paar Hustenkräuter holte. Railanta begleitet sie für einige Meter, ehe sie abbog und zu ihrem Schützling ging. Wie es ihm wohl gehen mochte? Das Fieber gab ihr zu denken. Mal Hitze, mal Kälte. Und richtig: sie hörte seinen bellenden Husten schon an der Tür. Das Zimmer war stickig, nur allzugern schlossen die Leute die frische Luft aus, weil sie meinten, Kälte würde schaden.
Railanta stieß die Fensterläden auf und ein Schwall kühler, aber klarer Winterluft drängte die verbrauchte kranke Luft hinaus. Auf dem Bett lag Ansgar, so blass und eingefallen, nur ein Schatten seiner selbst. Das Haar verklebt vom kalten Schweiß, und doch klapperte er im Schüttelfrost mit den Zähnen. "Dachte ich es doch", murmelt sie, entrollt das langhaarige Ziegenfell, das sie extra dafür mitgebracht hat und legt es zusätzlich auf seine Decke. Als der Raum mit Frischluft geflutet ist, schließt sie die Fenster , und entzündet eine Kerzenstumpen unter einem schmiedeeisernen kleinen Gestell, welches sie auf seinen Nachttisch stellt. Ein wenig Wasser in eine Schale darauf, und ein wenig Tinktur aus einem dunklen Fläschchen: schon bald erfüllt sanfter Duft nach Kräutern den Raum. Wohltuend legt sich der Dampf nach Minze und Eukalyptus, nach Thymian und Baldrian auf die gereizten Bronchien und erleichtert zumindest ein wenig das Atmen.
Ansgar döst vor sich hin, dem so nötigen Schlaf näher als dem Wachen, und doch scheint er keine Ruhe zu finden. Railanta beobachtet es aufmerksam. Erst einmal gilt es Symptome zu lindern, hier steckt mehr dahinter als ein einfacher Schnupfen. So macht sie sich daran, ihn mit einem feuchten Tuch zu waschen und zu erfrischen, als das Frieren bei ihm einem erneuten Fieberanfall weicht. Wadenwickel, eine Einreibung mit Balsam auf Brust und Rücken, ein Tee mit Kräutern, die den Schlaf fördern sollen: Sie versorgt ihn gut. Und lenkt ihn - so er wach ist - mit kleinen Plaudereien ab. Ob er in letzter Zeit auf seiner Wache jemanden in Greifenstein gesehen habe, der auf der Durchreise schien? Oder ob er Kontakt zu einer Karawane hatte, die aus fernen Landen kam?
Seine Kammer riecht nach dem Duft des Verdampfers. Er lehnt sich erschöpft in seine Kissen zurück, die Augen geschlossen. Zumindest scheint in diesem Moment das Fieber ihn nicht den Fängen von Frost und Glut zu halten, und vielleicht kann er diese Nacht ein wenig schlafen.
"Morgen bin ich wieder hier. Und bringe dir eine stärkende Brühe mit. Nun ruhe dich aus!" Er protestierte nicht, als sie etwas über sein Bett hängte: ein Gebilde aus Federn und kleinen Knöchelchen, das in Sichtweite baumelte. "Es hält das Böse fern, und hütet deinen Schlaf" Und dann ging die Schamanin hinaus.
_________________ 'Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung' ~ Eugène Ionesco
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