Tikali nickte nur .. und verglich im Geiste ihre vollbepackten Taschen und Kelindhars weniges Gepäck als Kontrast dazu. Na ja, hauptsache einer hatte Kochgeschirr und Gewürze dabei.
"Wir werden gleich abgeholt." Mit diesen Worten trat die Priesterin an das Ende des kleinen Holzstegs westlich von Greinfenstein. Der Fluß führte gerade viel Wasser und zerrte wild und laut am Steg. Trotzdem summte Tika leise eine Melodie.
Die Lautstärke war nicht höher als der Fluß, aber die Töne wurden dennoch gehört. Denn Töne, zur rechten Zeit am rechten Ort gesprochen oder gesungen, können die Barriere zwischen den Welten öffnen.
Tika merkte die erste Veränderung an sich selbst: ihre Ohren juckten, ein ihr eigenes, untrügliches Zeichen dass sie sich der Anderswelt der Fey "näherte".
Der Nebel kam nicht, er war einfach plötzlich da. So als habe man nur den Blick etwas gedreht und sah die gleiche und doch eine völlig andere Szene der Landschaft vor sich. Der dichte Nebel lag über dem Fluß wie ein seidenes Tuch.
Als der Drow neben sie trat, fröstelte es Tika unweigerlich, aber sie versuchte keine Reaktion zu zeigen.
Dann hörten beide das Eintauchen von Rudern in Wasser und aus dem Nebel schälte sich der Umriss eines kleinen Nachen.
Das Boot schien ander als die Boote der Menschen nicht aus Teilen von Bäumen zusammengesetzt, sondern vielmehr aus einem Baum gewachsen zu sein. Aber nicht nach elfischen Stil. Es mangelte dem Nachen nciht an Eleganz, aber es war eine natürlich Eleganz. Keine schwungvollen Kurven, nicht aus hellem Holz und nirgends verziert. Dafür wirkte es fast lebendig, dunkel, glänzend. Man meinte sein Herz schlagen zu sehen.
Auch der Fährmann war alles andere als eine helle Lichtgestalt. In einen dunkelgrünen Umhang gehüllt starte er beim Anlegen aus einen im Schatten der Kapuze verborgenen Gesicht zu den beiden am Steg. Man sah nur seine Augen dunkelrot leuchten und es waren keine menschlichen oder elfischen Augen. Tika bemerkte sofort seinen eigentümlichen Geruch, der ihr in der Nase stach.
Der Fährmann wartete und als der Drow an ihrer Seite auch nicht reagierte, erwachte sie endlich aus ihrer Abwesenheit. "Bring uns hinüber." Das Wort hinüber bezog sich sicher nicht auf das bloße andere Ufer, wo immer es in diesem Nebel ein anderes Ufer geben würde.
Eine unerwartet sanfte Stimme wie das Fließen eines kleinen Wildbaches antwortete der Priesterin: "Seid ihr auch bereit, den Preis zu zahlen?"
Tika nickte und nahm ein kurzes Stück Seil vom Gürtel. Es war fuchsrot und in sich verdreht. Sie reichte es dem Fährmann. "Der Preis."
Die Gestalt streckte ihre lange, dünne, knorrige Hand aus und nahm das Seilstück. Dann schien er daran zu schnuppern. "Dein eigenes Haar. Und eine Erinnerung. Ein Sommertag? Ich liebe Sommertage, denn nur so kann ich die Sonne spüren. Einverstanden, ich bringe euch ... hinüber."
Tika und der Drow stiegen in das kleine Boot und der Fährmann stieß es vom Steg weg. Das Boot drehte wie von selbst und stuerte dem Steg weg. Schließlich verschlang es der Nebel ...
.... und ihre Reise hatte begonnen.
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