Es war ein hartes Stück Arbeit, Selissa gegenüber gewohnt gelassen und ruhig zu erscheinen, wo doch alles in ihr in heller Aufregung ist. Doch nun liegt sie hier, auf ihrem weichen Lager, während die Dunstschwaden durch den Raum wabern. War das wirklich die richtige Entscheidung? Ist sie überhaupt stark genug dafür? Was, wenn es schief geht, wenn das Ungeheuer in ihr die Oberhand gewinnt? Eine Frage folgt der Nächsten, während in Taras Wahrnehmung und Bewusstsein zunehmend die Grenzen zwischen der der realen und ihrer inneren Welt verschwimmen…
Abermals steht sie vor der Burg, die doch eigentlich eher einer Ruine gleicht. Tara sieht nach oben. Dort hinauf muß sie. Hoch in den Turm. Nur dort findet sie, was sie sucht, wenigstens das weiß sie genau. Zögernd betritt sie die… Burg… und macht sich auf den Weg hinauf. Wie schon zuvor sind die Zeichen des Verfalls unübersehbar. Wände sind eingefallen, Schutt und Trümmer liegen herum und der Wind pfeift durch die Lücken. Ein trostloses Bild. Alles ist dunkel, keine Fackel erleuchtet den Weg und auch die erkalteten Kamine spenden keine Wärme. Ohne Probleme erreicht sie die Treppe, die nach oben führt. Auch in der zweiten Etage unterscheidet sich der Anblick nicht sehr vom vorherigen. Einzig die Schatten, die durch die Gänge huschen sind neu. Wenn Tara einen Blick in die Zimmer wirft, erkennt sie dort Szenen, die eigentlich nicht in eine Burg gehören. Szenen, so vertraut, daß es einem Schock gleichkommt, als sie erkennt, daß es sich um Begebenheiten ihrer Kindheit handelt, an die sie sich bei ihrem Anblick wieder entsinnt, obgleich sie all das längst vergessen wähnte. Szenen aus Blutstein, der Akademie, aus dem Tempel des Leidenden, aus ihrem Häuschen, das sie mit Großmutter bewohnte… Doch all das verschwindet nach wenigen Augenblicken wieder und hinterläßt nur den Anblick eines kargen, verfallenen Raumes, der teils schon einsturzgefährdet wirkt. Tara geht weiter durch die Gänge, nicht ohne jeweils einen Blick in die Räume zu werfen, an denen sie vorbei kommt. Weiter und weiter, eine Treppe nach der anderen erklimmt sie, wobei sie manchmal abzustürzen droht, als Teile des brüchigen Bodens mit viel Gepolter in die Tiefe stürzen und gefährliche Löcher hinterlassen. Mit Erstaunen registriert sie, daß die Schatten, die außerhalb der Räume um sie herum durch die Gänge huschen, nunmehr Gesichter bekommen. Erst nur schemenhaft und schwach zu erkennen, doch je weiter sie auf ihrem Weg vorankommt, umso deutlicher werden sie. Es ist ein großer Schock, als sie erkennen muß, daß es ausnahmslos die Gesichter ihrer Opfer sind. Allesamt gefangen im letzten Augenblick ihres Daseins in dieser Welt, bevor sie durch ihre Schuld aus jener gerissen wurden. Da ist die alte Bettlerin aus Dilpur, deren gütige Züge sich in grenzenlosem Entsetzen verzerren, als sie erkennt, was da auf sie zukommt. Von allen erinnert sich Tara am besten an sie, war sie doch die Erste. Der erste Beweis für ihr Versagen, ihr Unvermögen sich zu bezähmen, für ihre Disziplinlosigkeit, dem noch so viele folgten. Schattengesichter voller Angst, Arglosigkeit, ungläubigem Erstaunen und Wut. Nach eine Weile, sie steht nun direkt am Aufgang zum Turm, registriert Tara, daß all diese, nun nicht mehr namenlosen Schatten zu ihr sprechen. Eine Kakophonie von Beschimpfungen, Anklagen und Vorwürfen, die sie ausnahmslos nur in ihrem Kopf vernimmt, bringt diesen fast zum Bersten. Das Poltern herabstürzender Steinteile nimmt sich dagegen geradezu wohltuend aus. Schneller und schneller rennt sie die breite Wendeltreppe zum Turm hinauf, ohne darauf zu achten, ob etwas unter ihren Schritten bricht. Weg! Nur weg will sie von all diesen Stimmen in ihrem Kopf. Tatsächlich nimmt deren Intensität ab, je weiter sie die Treppe hinaufsteigt. Tara wird langsamer und auch wieder achtsamer, wo sie hintritt und wie ihre Umgebung aussieht. Auch hier gibt es kein Licht und keine Wärme, doch scheint der Turm in deutlich besserem Zustand zu sein, als der Rest der Burg. Bis zur oberen Etage des Hauptgebäudes, vielmehr dem, was davon noch steht, kannte sie sich aus. Immerhin fand tobte hier ihr Kampf mit dem Tyrannten, den sie glücklicherweise für sich entscheiden konnte. Doch das hier, der Turm, der ist neu. Nie zuvor war sie hier gewesen, tatsächlich hätte sie nicht einmal sagen können, ob es ihn überhaupt gab oder wie man dorthin gelangt. Heute jedoch geht sie den Weg, als habe sie nie etwas anderes getan. Seltsam. Nach einer gefühlten Ewigkeit, die Anzahl der Treppen muß die Höhe des Turmes bei Weitem übersteigen, gelangt sie ans Ende der Wendeltreppe. Tara riskiert einen Blick hinab und ist arg erstaunt, den Boden nicht ausmachen zu können. Ohne Geländer, das wenigstens ein wenig Sicherheit verspricht, scheint der freie Fall nach unten endlos zu sein. Nichts als finstere Schwärze ist unten zu sehen. Mit Schaudern wendet sie sich der schweren Eichentür zu, die ihr den weiteren Weg versperrt. Jene scheint intakt zu sein und passt so gar nicht zu der Ruine, die sie bisher durchquerte. Einen Augenblick gönnt sie sich noch die Ruhe, die das Fehlen der Stimmen und der Geräusche polternden Gesteins bietet, bevor sie die Tür öffnet. Jene gibt lautlos nach und läßt sich mühelos öffnen. Dahinter liegt indes abermals nichts als Schwärze. Gerade mal etwa zwei Schritt weit kann Tara den Boden sehen. Alles andere liegt im Dunkel. Kurz zögert sie, dann jedoch tritt sie ins Dunkel hinein… Mit einem leisen Klappen fällt die schwere Tür hinter ihr ins Schloß, woraufhin im Raum plötzlich Kerzen aufflammen, als habe sie ihren Zauber, mit dem sie gemeinhin auf diese Weise Licht macht, gewirkt. Tara sieht sich um. Sie kennt diesen Raum. Dort steht ihr Bett. Natürlich unbenutzt, denn sie steht ja hier und liegt nicht darin… Dort steht das andere Bett. Großmutters Bett. Irgendjemand schläft darin. Sie kann nicht erkennen wer, hat der Schläfer doch sein Gesicht zur Wand gedreht. Sein Schlaf scheint jedoch überaus tief zu sein. Tara ist sich aus irgendeinem Grund sicher, daß sie hier mit Pauken und Posaunen herumlaufen könnte, ohne daß er erwacht. Eigentlich sollte an der dritten Wand der Schrank stehen, wo Großmutter ihre eigene und Taras Gewandung aufbewahrte, doch steht dort an seiner statt ein halb verhangener Spiegel. Tara hat eine furchtbare Angst vor diesem Spiegel. Zitternd setzt sie sich an die Tür und versucht das Chaos in ihrem Kopf zu ordnen. Beinahe ebenso große Furcht hat sie davor, sich den Schlafenden genauer anzusehen. Soll sie umkehren? Aufgeben? Es ein andermal wagen? Allein der Gedanke daran, sich abermals durch die Schattengesichter kämpfen zu müssen läßt sie schaudern. Nein. Sie war jetzt hier. Jetzt. Kein andermal, nicht irgendwann und aufzugeben war ihr verwehrt. Bellonas Worte kamen ihr in den Sinn. „Wenn du es nicht für dich tust, tu es für jemand anderen!“ Lebte sie nicht schon seit längerem nur noch für jemand anderen? Hatte sie ihre Tochter nicht durch ihr Tun oder nicht Tun dorthin getrieben, wo sie jetzt ist? Wie will sie ihr eine Mutter sein, wenn es doch oft genug Selissa ist, die auf sie aufpasst, wo es doch umgekehrt sein muß? Nein! Der Schlafende ist das Eine, doch Tara weiß instinktiv, daß das Ziel ihrer Reise hierher, dieser Spiegel und das, was er ihr zeigen mag ist. Es dauert noch eine ganze Weile, bis sie den Mut findet und mit ziemlich wackligen Knien zum Spiegel geht. Nach einem letzten Zaudern reißt sie mit dem Mut der Verzweiflung das Tuch weg, das ihn verdeckt und sieht hinein. Was immer sie erwartete, sie sieht den Raum, in dem sie sich befindet und … sich selbst. Ganz so, wie man es von einem Spiegelbild erwartet. Während sie noch darüber nachsinnt, ob sie ob dieses Anblicks glücklich oder enttäuscht sein soll, beginnt sich ihr Spiegelbild zu verändern… Erst beginnt es zu verschwimmen, als wäre der Spiegel verschmutzt, dann wird es irgendwie…durchsichtig, bis es dann verschwunden ist und Tara in einen leeren Raum starrt Einzig die Kerzen und die Betten mitsamt dem Schlafenden sind auch auf der anderen Seite des Spiegels sichtbar. Von ihr selbst fehlt indes jede Spur. Bevor sie sich jedoch zu sehr darüber wundern kann, taucht ihr Spiegelbild wieder auf. Ebenso, wie es zuvor verschwand, kommt es zurück. Erst als leichter Schemen, durchsichtig, nur in den Umrissen zu erkennen, gewinnt es schnell an Konturen und Schärfe. Alsbald sieht Tara sich wieder selbst gegenüber, doch wie verändert! Die Male des Tyrannten sind fort, als hätte es sie nie gegeben. Ihre Haut ist makellos und bleich, als fiele das Mondlicht auf Pergament. Ihre Gesichtszüge sind zwar die ihren, doch irgendwie auch wieder nicht. Es sieht aus, als habe jemand all die kleinen Makel einfach weggewischt. Die Lippen sind voll und rot, ihre Augen wirken, als hätte sie diese schattig geschminkt, wie es heute vielfach als schön empfunden wird. Dabei hat sie doch nicht einmal Schminkzeug! Der größte Unterschied, den sie ausmachen kann, sind indes ihre Augen selbst. Sind die ihrigen doch von einem Grau, welches dank ihrer Begegnung mit dem Tyrannten jetzt zuweilen hell und stechend wirkt, sind die ihres Spiegelbildes tiefrot, als seien ihre Augäpfel mit Blut gefüllt. Tara steht eine Weile sprachlos vor dem Spiegel, als ihr Spiegelbild plötzlich das Schweigen bricht. „Du siehst überrascht aus. Verschlägt dir unser Anblick die Sprache?“ Ein Grinsen ihres ichs im Spiegel entblößt spitze Eckzähne, die wohl manch Raubtier neidisch machen könnten. „Ich….nein…wie….wo kommst du her? Warum bist du überhaupt noch da?“ „Oooch! Ich war doch nie weg, weißt du? Immerhin bin ich doch das Geschenk Mutters an dich. Wie könnte ich dich da verlassen?“ „Meine Mutter ist tot!“ schleudert Tara ihrem Spiegelbild entgegen. „Untot.“ Kommt die lakonische Antwort. „Und wenn wir schon dabei sind, was meinst du wohl, was sie dazu sagt, wie wenig du ihr Geschenk wertschätzt? Ohne mich wärst du längst tot. Schon vergessen?“ „Stattdessen machst du mich zur Mörderin! Weißt du, wie viele Leute ich auf dem Gewissen habe seit…dir?!“ „Oh ja! Natürlich weiß ich das. Ich war immerhin dabei.“ „Vielleicht wäre es besser, ich wäre tot!“ „Tz, tz, tz! Ich glaube, sowas hört Selissa aber gar nicht gerne!“ „Nimm ihren Namen nicht in den Mund!“ „Was willst du dagegen tun? Du kannst aber unbesorgt sein! Ich mag sie ebenso gern, wie du. Darum tue ich ihr auch nichts…“ „Du untoter Abschaum! Du machst mich zur Mörderin und verspottest mich auch noch?!“ Augenscheinlich verliert allmählich auch die untote Tara im Spiegel die Geduld… „Du wagst es…mich… Abschaum zu nennen? Ausgerechnet du, die nicht den kleinesten Funken Selbstbeherrschung aufbringt? Die jedem kleinen Drang nachgibt und dafür Leute umbringt?...“ „Das war nicht ich, das warst du! Du hast sie auf dem Gewissen! Du hast sie umgebracht!“ „Das habe ich nicht! Es ist dein Mangel an Disziplin, der daran schuld ist! Selbst die widerliche Maestra hat das erkannt! Du mußt sie nicht umbringen, nur um etwas Blut zu bekommen…“ Lange Zeit tobt der Streit zwischen Tara und ihrem anderen Selbst im Spiegel. Schuldzuweisungen gehen hin und her und jede wirft der anderen Dinge an den Kopf, die mit Taras üblicher emotionsloser Logik nicht das Geringste gemein haben. Irgendwann, nach einer gefühlten Ewigkeit scheinen beiden die Worte ausgegangen zu sein und so begnügen sie sich vorerst damit, sich haßerfüllt anzustarren. Bevor sie es sich noch anders überlegen kann, bricht die Erkenntnis ob des Nachdenkens währenddessen aus der Tara vor dem Spiegel hervor: „Du hast Recht.“ Ihr Spiegelbild ist verblüfft: „Wie jetzt?“ „Du hast Recht. Es ist meine Schuld. Zumindest zum größten Teil.“ „Sag ich doch!“ Zögernd setzt ihr Spiegelbild nach: „So ganz falsch liegst du aber auch nicht.“ Tara sieht ihr untotes Selbst eine Weile an, während jener ihr Zorn verraucht. „Tut weh, diese Erkenntnis, nicht wahr?“ Ihr Spiegelbild nickt nur und scheint ebenfalls keine Wut mehr zu verspüren. „Der Frater sagte es mir immer wieder und wieder. Ich muß lernen, mich zusammenzureißen. Und bis heute habe ich es nicht geschafft. Darum habe ich solche Angst vor dir! “ Fast könnte man meinen, ihr Spiegelbild sieht Tara mit einer gewissen Wärme an. „Warum fürchtest du mich so sehr? Ich spüre es zwar, kann es mir aber immer noch nicht erklären.“ „Weil….na weil… weil du mich auffrisst! Wenn ich du bin, bin ich tot. Es bleibt nichts von mir übrig, ich bin dann weg, als hätte es mich nie gegeben.“ Die Tara im Spiegel lacht tatsächlich belustigt auf. „Das glaubst du tatsächlich? Ausgerechnet du, die Meisterin des Todes?“ Die untote Tara mustert forschend ihr anderes Ich. „Du glaubst es ja wirklich! Nicht zu fassen!“ Sie seufzt. „Dann merke jetzt mal gut auf! Ich kann nichts an dir bewirken, das nicht schon da ist. Gewiß ändere ich deine Bedürfnisse, dein Verlangen und es mag dir auch erscheinen, als sei all das neu und ich brächte es mit, doch die Gier, deine Blutrünstigkeit… all das war schon immer ein Teil von dir. Du hast ihn nur immer unterdrückt.“ „Und was ist mit diesem ewigen Hunger?“ „Der stammt leider von mir. Ja. Aber ich werde doch nicht dein Wesen ändern… Oder, wie du sagst, dich… auffressen! Weißt du denn nicht, daß dies auch mein Ende wäre? Abgesehen davon, daß das auch gar nicht geht.“ „Wirklich?“ „Ja wirklich. Warum sollte ich dich anlügen? Und wie sollte ich das an diesem Ort überhaupt können?“ „Was ist so besonders an diesem Ort, daß du das nicht kannst?“ Das Spiegelbild lacht abermals auf. „Weißt du eigentlich, wie lustig du bist? Wir sollten uns öfter unterhalten, statt uns zu bekriegen. Du hast immer noch keine Ahnung, wo wir sind, richtig?“ „In irgendeiner Burg, in einem wilden Traum?“ „Fast. Diese… Burg… spiegelt das wider, das du deinen Verstand nennst. Wenn du mich fragst, musst du hier dringend etwas tun! So geht das nicht mehr lange gut… Und dein Traum ist nichts weniger als dein Selbst, dein Geist.“ „Bei allen Höllen!“ Tara ist entsetzt. „Mein Verstand ist nur noch eine Ruine?!“ „Hmhm!“ meint ihr Spiegelbild nur zustimmend. „Aber warum beherrscht du mich denn nicht mehr? Und warum kommst du jetzt wieder?“ „Nun…um deine erste Frage zu beantworten, du hast einmal genug Willen gezeigt, um mich aus deinem Denken und Tun zu verbannen. Wir sind eins, vergiß das nicht! Also hast du nichts weiter getan, als das, was der Frater uns einst auftrug, dich bezähmt… Was deine zweite Frage angeht, nochmals, ich war nie weg. Ich bin du, du bist ich. Je nachdem, was du begehrst bin ich da oder eben nicht. Ganz einfach.“ „Also haben sie alle Recht und ich bin doch einfach nur verrückt?“ „Äh…also… soweit würde ich nicht gehen. Halten wir uns doch einfach an die Tatsachen. Erstens, du wurdest gehängt. Zweitens, du wärest folglich fast gestorben. Drittens, Mutter gab dir ihr Blut. Da du ja nun weist, was aus ihr wurde, was sie nun ist, brauchst du sicherlich nicht lange in irgendwelchen Schriften nachzulesen, was das bedeutet!“ „Also bin ich doch ein Vampir? Eine verrückte Vampirin?“ „Bei allen Höllen! Du machst es uns aber wirklich unnötig schwer! Du bist kein Vampir. Du lebst! Wenn du allerdings stirbst, wirst du einer. Ja. Und ob du verrückt bist, weiß ich nicht. Momentan tendiere ich zu verwirrt.“ Tara lacht auf. „Vielleicht hast du Recht und wir sollten uns wirklich öfter unterhalten!“ „Es zeigt Einsicht! Löblich, löblich!“ grinst ihr Spiegelbild. Tara sieht ihr untotes Ich eine Weile an und findet es eigentlich weit weniger schrecklich als zu Beginn. „Und was machen wir nun?“ „Zuerst mal würde ich die Frage umformulieren. Was mache… ich…nun?“ „Ich?“ „Ich!“ „Na schön. Also, was mache ich nun?“ „Wie wäre es damit Frieden zu schließen? Ganz so, wie es diese freche Bellona sagte?“ „Geht das denn?“ „Warum soll das nicht gehen? Immerhin sind… wir… doch schon in dir drin. Und wie du nun weist, sind wir beide ich….oder du, damit du es besser erfassen kannst.“ „Danke! Ist wirklich nicht leicht, du….es…wir…und ich auseinander zu halten.“ „Ich weiß. Darum sage ich es dir ja. Ich bin ein Teil von dir. Ein Teil, den du fürchtest, weil ich all das bin, was du nie sein wolltest und immer noch nicht willst. Aber bekämpfst du mich, bekämpfst du dich nur selbst.“ „Und was passiert, wenn ich gegen mich kämpfe?“ Das Spiegelbild antwortet schulterzuckend: „Du wirst verrückt. Also wirklich verrückt. Das kann ganz unterhaltsam sein, doch auf Dauer ist das sicher nichts, was du willst. Und ich auch nicht.“ „Wie schließen wir denn jetzt Frieden?“ „Ooooch! Das ist doch nun wirklich einfach. Akzeptiere mich so, wie ich dich akzeptiere! Wir sind, wie wir sind. Wichtig ist nur, was wir daraus machen.“ Kurz zögert Tara noch, bevor sie erst zaudernd, dann jedoch entschlossen ihre Hände gen Spiegel austreckt. Ihr Gegenstück auf der anderen Seite tut dasselbe. Beide treten aufeinander zu und können sich letztlich ohne die Barriere eines Spiegels umarmen. „Endlich!“ Obschon es beide zeitgleich sagen ist Tara überrascht, nunmehr allein im Raum zu sein. Na ja, fast allein. Der Schläfer in Großmutters Bett hat von all dem, was sich abspielte offenbar nichts mitbekommen und schläft den Schlaf der Gerechten. Der Spiegel indes ist verschwunden. Nunmehr wagt es Tara sich den Schläfer genauer anzusehen. „Überrascht?“ fragt ein Teil ihres Selbst. „Nein. Das war wohl zu erwarten.“ Antwortet sie sich und wendet sich vom schlafenden Tyrannten ab. Als sie letztlich den Raum verläßt ist sie sehr überrascht, die breite Wendeltreppe, die den Turm hinab führt, hell von Fackeln, die in Halterungen an den Wänden stecken erleuchtet zu finden…
Mit einem leisen Aufschrei reißt Tara die Augen auf, um sich ihrer Tochter gegenüber zu sehen, die sie besorgt ansieht…
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